Von Ole Heyn
Bewerbung und Beginn des Praktikums
Im ausgehenden Wintersemester 2020/21 entschloss ich mich, im folgenden Sommersemester ein im Rahmen meines geisteswissenschaftlichen Studiums erforderliches Betriebspraktikum zu absolvieren. Aufgrund der interessanten thematischen Ausrichtung entschied ich mich für das Ostpreußische Landesmuseum. Am ersten Arbeitstag, am Montag den 26.04., fand nach einer kurzen Begrüßung als erster Höhepunkt eine mehrstündige Führung durch das Museum statt, in der mir die Dauerausstellung intensiv vorgestellt wurde sowie ich durch die fachkundige Führung von Dr. Kunze schon einige Blicke „hinter die Kulissen“ des Ablaufs der Museumsarbeit erhalten konnte. Danach lernte ich den restlichen Tag eines der hauptsächlichen Tätigkeitsfelder meines Praktikums kennen, nämlich das Inventarisieren von Gegenständen in der Museumswerkstatt.
Vorarbeit für den Archivar
Ab dem zweiten Tag übernahm Dr. Hinkelmann für die ersten drei Wochen die Betreuung. Von ihm wurde ich an meinen Arbeitsplatz in der kleinen Fachbibliothek des Museums zur Geschichte Ostpreußens eingeführt. Dort arbeitete ich an Materialien aus dem Magazin des Museums zur zukünftigen Einordnung in das Archiv. Für diese Arbeit war dem Museum erfreulicherweise im weiteren Verlauf des Jahres die Stelle eines hauptberuflichen Archivars bewilligt worden, und meine Aufgabe bestand nun darin, für diesen eine erleichternde Vorarbeit zu leisten. Es war nun meine Aufgabe, die angesammelten Materialien in ihrer bisherigen Sortierung zu überprüfen und ein neues, provisorisches Kategorisierungssystem aufzubauen. Für die Einteilung der verschiedenen Objekte musste ich mir dabei anhand ihrer Beschaffenheit, ihres Inhalts, ihres Alters etc. sinnvolle Einordnungen überlegen und dann die Gegenstände gemäß ihrer Kategorisierung in die zur Verfügung stehenden Kisten und Kartons wieder einsortieren.
Dabei konnte ich während der Arbeit zur Kategorisierung einige interessante Gegenstände kennenlernen. Darunter etwa eine signierte Fotografie vom Generalfeldmarschall und späterem Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, ein Foto von der Schwester des letzten deutschen Kaisers mit einem wertvollen Rahmen und eine Vielzahl von interessanten persönlichen Aufzeichnungen. Besonders die Schilderungen der häufig dramatischen Vorgänge während der Flucht aus Ostpreußen waren sehr schockierend. Auch die große Menge an dem Museum persönlich geschenkten Fotoalben gaben einen tiefen Einblick in die Lebensrealität von Menschen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Ostpreußen.
Inventarisieren und Mithilfe zur Planung der Kant Ausstellung
Nach der Arbeit für Dr. Hinkelmann übernahm Dr. Kunze die weitere Betreuung während des Praktikums. In der restlichen Zeit arbeite ich wechselnd in den beiden Arbeitsumfeldern Inventarisierung und Recherche, meist einen Tag der Woche im Archiv zur Inventarisierung und die übrigen zwei Arbeitstage entweder allein in der Bibliothek oder zusammen mit Dr. Kunze bei der Recherche in seinem Büro. Bei der Inventarisierung sollte ich die bereits in der Museumsdatenbank „First Rumos“ erfassten Gegenstände zusätzlich in ihrer Beschaffenheit beschreiben sowie Photographien von ihnen anfertigen. Dr. Kunze stellte mir dazu immer verschiedene Objektsorten zur Verfügung, etwa Bernsteinschmuck, mittelalterliche Siegel, Graphiken oder Keramikgegenstände. An manchen Tagen war diese Arbeit durchaus anstrengend, jedoch war der sehr freundliche Kontakt zu den Mitarbeitern der Haustechnik immer eine erfreuliche Abwechslung.
Die Recherchen sollten Dr. Kunze in seinen Planungen zur künftigen, Immanuel Kant gewidmeten Dauerausstellung behilflich sein. Zu diesem Zweck sollte ich zum einen zu spezifischen Themen kurze „Nachforschungen“ anstellen, also etwa anhand von Büchern und Nachschlagewerken oder Bilddatenbanken Informationen zu historischen Details oder passende Photographien ausfindig machen. Zum anderen war Dr. Kunze während der Zeit meines Praktikums gerade an der genaueren Ausgestaltung des Ausstellungsteils zu Kants politischer Schrift „Vom ewigen Frieden“ beschäftigt.
Dies passte hervorragend zu der Ausrichtung meines Studiums, da ich Philosophie als mein Nebenfach belegt habe und bereits in der Vergangenheit in Vorlesungen häufig Gelegenheit hatte, die Philosophie Immanuel Kants kennenzulernen. Deshalb verbrachte ich ebenfalls einen Anteil der Arbeit während des Praktikums damit, Vorschläge oder Ideen an Dr. Kunze zu unterbreiten und darüber mit ihm zu sprechen, wie die Gestaltung des Ausstellungsteils genau aussehen könnte. Zur besseren Kenntnis von Kants Schrift überließ mir Dr. Kunze eine Ausgabe zur Lektüre. Diese sollte ich an einem Tag „im Homeoffice“ gründlich erneut lesen und studieren, da aufgrund der Pandemieauflagen die Arbeit einiger Mitarbeiter des Museums sowohl im Büro als auch von zu Hause aus stattfand.
Bei der Ausstellungskonzeption erwies es sich als besonders schwierig, das recht abstrakte Thema von Kants Schrift „Frieden“ konkret als Ausstellungsinhalt darzustellen und dem Besucher zu vermitteln. Um bei dieser Aufgabe von der Arbeit anderer Museumsmitarbeiter zu lernen, besuchte ich mit Dr. Kunze erneut das Museum und studierte intensiv den beispielhaften Ausstellungsabschnitt über die Trakehner Pferde. Später besuchten wir zusammen mit Dr. Hinkelmann, dem Verantwortlichen für diesen Ausstellungsteil, erneut das Museum und besprachen anhand der Vorarbeit die genaue Inszenierung der Gegenstände. Auch ließ Dr. Kunze mich einmal an der Verfassung eines Erläuterungstextes für die Museumsausstellung versuchen.
Zum Abschluss konnte ich am Freitag den 02.07., meinem vorletzten Arbeitstag, an den Feierlichkeiten zur Ausstellungseröffnung über den deutsch-lettischen Künstler Walter-Kurau teilnehmen, die durch Reden von u.a. Oberbürgermeister Ulrich Mädge und der lettischen Botschafterin Inga Skujina eingeleitet wurden. Untermalt wurde der Festakt durch ein geschmackvolles Musikprogramm.
Fazit
Alles zusammengenommen gefiel mir das Praktikum sehr gut. Während der Vorarbeit für die Archivarstelle konnte ich eine äußerst große Vielzahl von zeitgeschichtlichen Quellen kennenlernen und mich auch durchaus intensiv mit ihnen beschäftigen. Besonders das Inventarisieren von zum Teil äußerst wertvollen Schmuckstücken aus Bernstein ist mir dauerhaft in Erinnerung geblieben. Und während der Zuarbeit für Dr. Kunzes Planung für die zukünftige Kant-Dauerausstellung konnte ich mich nicht nur eingehend mit dem Leben und Wirken des Königsberger Philosophen befassen, sondern auch detaillierte und wertvolle Einblicke in die Arbeit zur Konzeption und Umsetzung von musealen Ausstellungen gewinnen. Das im Universitätsstudium Gelernte und die im Praktikum gemachte Erfahrung harmonierten an mancher Stelle durchaus und haben sich gegenseitig ergänzt. So waren etwa die erworbenen Kenntnisse aus einem Seminar zur Transkription mittelalterlicher Handschriften, einem Praxisseminar zur musealen Inszenierung oder manche Philosophie-Vorlesungen durchaus hilfreich. Insofern wirkte das Praktikum beizeiten wie eine praktische Anwendung der im Studium erworbene Kenntnisse und stellte so im berufsvorbereitenden Sinn eine ertragreiche Synergie dar. Und auch im alltäglichen Umfeld lässt sich das Gelernte anwenden, etwa bei der Einschätzung privater Museumbesuche, wie ich in der Zwischenzeit bereits mehrfach feststellen konnte.