Unter diesem bewusst ein wenig polarisierenden Titel führte das Ostpreußische Landesmuseum in Zusammenarbeit mit der Jägerschaft des Landkreises Lüneburg am 18. Juli 2014 im Gasthaus „Zum Anker“ in Bardowick eine Informationsveranstaltung zum Wolf in Niedersachsen durch. Der Wolf ist in eine alte Kulturlandschaft zurückgekehrt, in der er bis zu seiner Ausrottung im vorvergangenen Jahrhundert heimisch war. Zahlreiche Orts- und Flurnamen, Erinnerungen und Berichte in der Literatur früherer Jahrzehnte belegen, dass der Wolf in Niedersachsen immer anwesend war, auch wenn in den vergangenen 150 Jahren nur wenige Tiere auf den alten Wolfswechseln nach Westen zogen und dann zumeist schnell erlegt wurden.
Heute ist die Situation eine völlig andere: Der Wolf ist eine geschützte Art und dem Jagdrecht entzogen. Er ist in eine Region zurückgekehrt, die dicht besiedelt ist und land- wie forstwirtschaftlich intensiv genutzt wird. Große Freiflächen wie die Lüneburger Heide sind regelmäßige Aufenthaltsorte für viele Menschen, die dort arbeiten, sich erholen oder die die Schönheit der Landschaft genießen wollen. Die Rückkehr des Wolfs wird von vielen begrüßt, von anderen jedoch wird sie als zunehmend schwierig empfunden. Wie gehen wir mit den begründeten Sorgen der Menschen um, damit auch der Wolf eine Zukunft bei uns hat? Ein Zusammenleben von Wolf und Mensch muss sorgsam entwickelt und gestaltet werden.
Es ist unbestritten, dass der Wolf wirtschaftliche Nachteile oder Schäden bereitet und dass er auch Ängste auslöst. Mit Emotionen muss sachlich umgegangen, Probleme müssen gelöst werden. Nach einer stark durch Emotionen aufgeheizten Debatte auf anderen Informationsveranstaltungen im Landkreis Lüneburg und im Leserforum der lokalen Presse im Spätwinter/Frühjahr 2014 war es die erklärte Absicht der Veranstalter, die biologisch bedingte, ruhige Zeit im Jahresverlauf des Wolfs zu einer Versachlichung der Diskussionen beizutragen. Ausgewiesene Experten und Praktiker hatten sich bereit erklärt, auf Fragen aller Art zu antworten. Zunächst stellten sie sich kurz vor, damit die Teilnehmer erkennen konnten, in welcher Verbindung sie zum Wolf stehen und an wen sie ihre speziellen Fragen am besten richten konnten.
Torsten Broder, Vorsitzender der Jägerschaft des Landkreises Lüneburg, begann seine Vorstellung mit dem sehr treffenden Satz „Wölfe sind wie Sterne – nicht immer sichtbar, aber immer da“. Er führte aus, dass die Jäger mit dem Wolf werden leben müssen, dass sie ihn aber keineswegs völlig frei werden gewähren lassen können. Werner Oldenburg, Vertreter des Kreislandwirts des Landkreises Lüneburg, vertrat die Interessen der professionellen Tierhalter, von denen besonders die Besitzer von Schafen betroffen sind. Er machte deutlich, dass gerade die Schafhalter sich von Politik und Verwaltung im Stich gelassen fühlen, weil diese noch nicht deutlich genug auf die Konsequenzen der Wölfe bei uns reagiert hätten.
Christian Voigt, Vorsitzender des Hegerings Amelinghausen, betreut 60 Reviere im südwestlichen Teil des Landkreises Lüneburg und berichtet, dass sein Bezirk bereits seit fünf Jahren Wolfseinstandsgebiet ist. Der Wolf gehört dort zum Alltag. Dr. Britta Habbe, Wolfsbeauftragte der Landesjägerschaft Niedersachsen, ist mit einem Monitoring der Wolfsrückkehr nach Niedersachsen beauftragt. Sie sammelt alle Hinweise (Beobachtungen, Spuren, Losungen, Risse, Wildkamerabilder usw.) und ist mit der Erstellung eines Gesamtbildes befasst.
Michael Urbansky, Leiter des Hochwildrings Gartow-Lüchow, berichtete aus der Praxis, wie sich die verschiedenen Wildarten im Beutespektrum des Wolfs auf dessen Anwesenheit eingestellt haben. Alle sind scheuer geworden, doch zeigt mit Ausnahme des Mufflons keine einen Bestandrückgang. Peter Pabel vom Forstamt Göhrde und Leiter des Hochwildrings Göhrde hob hervor, dass der Wolf eine wichtige Rolle in der Natur habe und – neben dem Jäger – für gesunde, naturnahe Wildbestände sorgen werde.
Die Fragen und Antworten betrafen gleichermaßen die Auswirkungen der Anwesenheit des Wolfs auf das Verhalten des Wildes wie auf das Verhalten des Menschen und seiner Nutztiere. Übereinstimmend wurde betont, dass die Öffentlichkeit immer wieder mit einem Wolfsmanagement beruhigt werde, das es auf der geltenden gesetzlichen Basis aber gar nicht geben könne. Hier könne erst auf der Basis des Monitorings über konkrete Umsetzungen nachgedacht werden. Extrembeispiele aus anderen Ländern mit natürlichen Wolfspopulationen, z.B. Schweden, wurden genannt, um der Zuhörerschaft zu verdeutlichen, dass von Übergriffen der Wölfe z.B. auf Hunde, Reiter oder Kindergärten im Wald in Niedersachsen keine Rede sein kann. Hier ist der Wolf sicher noch lange ein Wildtier, das den Kontakt mit dem Menschen meidet. Allerdings müssten Schafe, Ziegen und Gatterwild wie Damhirschhaltungen wirksamer geschützt werden.
Das Ostpreußische Landesmuseum ist das einzige Museum der Region, in dem der Wolf Thema ist, denn in Ostpreußen wurde er alljährlich nachgewiesen. Trotz des bis 1945 erklärten Ziels, die Provinz wolfsfrei zu halten, zogen in den großen Wäldern entlang der Grenzen zu Polen und Litauen immer wieder Wölfe ihre Jungen groß. Im November 2010 bereits hatte unser Museum eine gut besuchte Informationsveranstaltung durchgeführt, auf der zahlreiche, auch historische Aspekte vorgetragen wurden, die bei der zu erwartenden Rückkehr des Wolfs nach Niedersachsen bedacht werden müssen. Inzwischen ist der Wolf bei uns angekommen.
Der Festsaal im Gasthaus „Zum Anker“ in Bardowick war gut gefüllt, fast 150 Personen waren der Einladung gefolgt. Peter Burkhardt, Jäger und Wolfsberater, moderierte die Veranstaltung engagiert und souverän. Sie verlief sehr sachlich – Fragen wurden offen gestellt und nach bestem Wissen ehrlich beantwortet – und endete nach etwa 3 Stunden erst, als keine Fragen mehr gestellt wurden. In der Reihe der in Zusammenarbeit mit der Lüneburger Jägerschaft realisierten Informationsveranstaltungen (Rotwild 2012, Schwarzwild 2013, Niederwild im Februar 2014) stellte der Abend eine gelungene Fortsetzung dar. Weitere werden folgen.
Dr. Christoph Hinkelmann, Ostpreußisches Landesmuseum