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Vom ostpreußischen Jagdparadies zur modernen Jagd heute: Die Jagdabteilung im Ostpreußischen Landesmuseum

Von Dr. Christoph Hinkelmann, Kurator für die naturkundlichen Bereiche am Ostpreußischen Landesmuseum

Als Landesmuseum thematisch breit aufgestellt, ist auch der Jagd in Ostpreußen ein eigenes Kapitel gewidmet. Dies umso mehr, weil die 1945 untergegangene Provinz als ein Jagdparadies galt. Nicht zuletzt deshalb geht das heutige Landesmuseum auf das schon 1958 gegründete „Ostpreußische Jagdmuseum – Wild, Wald und Pferde“ zurück und verfügt über entsprechend reiche Bestände zum Thema.

Wie in jedem „klassischen“ Jagdmuseum gibt es Wildtiere in beeindruckenden Gemälden, imposante Trophäen, bedeutende Jagdherren oder klassische Jagdwaffen zu sehen. Ein Modul dieser Abteilung fällt aber heraus und ist völlig anders ausgerichtet: Weder Ostpreußen noch die Vergangenheit stehen im Zentrum, sondern die moderne Jagd heute.

Denn Wissen über die Jagd heute tut Not. Sie polarisiert hierzulande und führt zu erhitzten, vielfach sogar verletzenden Debatten. Für manche ist sie das Einssein mit der Natur und ihre Pflege, eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe, Lebensfreude oder auch nur Status; für andere ist sie überflüssig oder in hohem Maß verwerflich, weil sie ohne die Tötung von Mitlebewesen nicht denkbar ist. Jäger gehen ihrem Hobby allein aus der Lust am Töten nach, so ein oft erhobener Vorwurf.

Erfolgreiche Museumsarbeit sucht die gesellschaftliche Relevanz, zum Beispiel, indem sie aktuelle Themen aufgreift. Der hohe Stellenwert, den Museen genießen dürfen, liegt auch darin begründet, dass sie Informationen vermitteln wollen, also aufklären, nicht belehren. Daher ein Modul über die Jagd heute – zur Vermittlung einer zeitgemäßen Basis, auf der sich jede(r) eine eigene Meinung bilden kann: Was bedeutet Jagd heute und warum wird sie ausgeübt?

Wer Jäger werden will, muss sich einer intensiven, in der Regel monatelangen Ausbildung unterziehen, die nicht ohne Grund das „grüne Abitur“ genannt wird. Vorausgesetzt wird umfangreiches Wissen über das jagdbare Wild, Waffenhandhabung, Einsatz von Jagdhunden oder das Verwerten des erlegten Wildes. Auch werden Kenntnisse in Land- und Waldbau, Wildhege, Naturschutz, Jagdrecht und –ethik sowie den gängigen Jagdsignalen gefordert.

Mit dem Erwerb des ersten Jagdscheins übernimmt er oder sie – der Anteil jagender Frauen nimmt stetig zu – Verantwortung für einen wesentlichen Teil unserer natürlichen oder von Land- und Forstwirtschaft gestalteten Umwelt und die darin lebenden kleinen und großen Mitlebewesen. Jäger pflegen ein Revier und die Tiere und Pflanzen darin – das ist die Hege. Sie greifen aber auch regulierend in die Bestände ein – das ist die Jagd.

Freude an der Natur wird mit großem Abstand als wichtigstes Motiv zum Erwerb eines Jagdscheins genannt. Gute Kenntnisse über das Geschehen im Revier zu haben sind daher für Jäger selbstverständlich. In der Landschaft verraten Spuren und Fährten, welche Tierart sich dort gerade aufgehalten hat. In der Ausstellung kann man auf spielerische Weise herausfinden, welche Spur zu welcher Wildart gehört. Mitten in der Ausstellung befindet sich ein Hochsitz, wie man ihn in ähnlicher Gestaltung vielfach in unserer Landschaft findet. In einem solchen verbringt ein Jäger viele Stunden bei der „Ansitzjagd“, zu jeder Jahreszeit, in der Dämmerung und nachts. Er beobachtet das Geschehen; nur gelegentlich kommt er zum Schuss.

Bei der „Bewegungsjagd“ ist ein Jäger allein oder in der Gruppe unterwegs. Bei Treib- oder Drückjagden gehen Jäger in signalfarbener Kleidung hinaus. Während früher „Jagdgrün“ die tarnende Kleidung charakterisierte, wird heute großer Wert auf „knallige“ Farben gelegt – das Wild kann diese Auffälligkeit gar nicht wahrnehmen und alle Teilnehmer sind gut sichtbar und damit besser geschützt.

Ausstattung für die „Bewegungsjagd“ © Ostpreußisches Landesmuseum

Eine dritte Methode ist die „Fallenjagd“. Sie dient der Bestandsbegrenzung von nachtaktiven Beutegreifern und Nagetieren, die schwer zu sehen und kaum aktiv zu bejagen sind, aber großen Schaden anrichten können. Unser Ausstellungstück, eine moderne Lebendfalle, wurde speziell für Waschbär, Mink, Nutria und Bisam, sämtlich Neubürger aus Amerika, entwickelt. Wichtig ist stets, dass eine „fängisch“ gestellte Falle häufig kontrolliert wird.

„Fallenjagd“ © Ostpreußisches Landesmuseum

Viele Fragen rund um die Jagd lassen sich aber nur schwer beantworten, z.B.: Ist die Jagd notwendig? Kann man sie tierschutzgerecht ausüben? Darf man Tiere töten? Leidet das Wild unnötig? In einer Medienstation werden die wichtigsten Fragen aufgeworfen und jeweils von einem passionierten Jäger sowie von einer engagierten Jagdgegnerin beantwortet. Die Besucher sollen sich selbst eine Meinung bilden und am Ende abstimmen, wer überzeugender war. Jagd war, ist und bleibt wohl immer eine Kontroverse. Die Ausstellung leistet einen Beitrag dazu, dass mit Kenntnis der Fakten auf sachlicher Ebene über das Für und Wider argumentiert werden kann.

Titelbild: Hochsitz in der Jagdabteilung in der Dauerausstellung des Ostpreußischen Landesmuseum © Ostpreußisches Landesmuseum