Von Dr. Jörn Barfod
In unserer Reihe “Kunst-Geschichten” stellt unser ehemaliger Kustos Dr. Jörn Barfod besondere Werke aus der Sammlung des Ostpreußischen Landesmuseums vor. In diesem Beitrag geht es um eine Weichsellandschaft von Alfred Partikel:
Der Blick geht in die Weichsellandschaft und in den hohen, teils blauen Himmel, er wird eingerahmt von hoch aufwachsenden Bäumen; Felder, Gebäude und Gewässer erscheinen klein wie in einer Spielzeuglandschaft. Im Hintergrund geht die Landschaft in einer graublauen Hügelkette am Horizont zu Ende. Die Darstellung erinnert an weite Landschaften bei Albrecht Altdorfer, oder Lucas Cranach d. Ä. aus dem frühen 16. Jahrhundert – vielleicht auch an romantische Darstellungen des frühen 19. Jahrhunderts. Das Gemälde stammt aber von dem ostpreußischen Maler Alfred Partikel (1888 – 1945), der es 1938 in Königsberg schuf.
Neue Sachlichkeit:
Der seit 1929 an der Königsberger Kunstakademie als Lehrer für Landschaftsmalerei tätige Partikel gehört zu den Vertretern der Neuen Sachlichkeit.
Schon in den frühen 1930er Jahren bemerkte die Kunstkritik in Deutschland, dass sich die neusachliche Kunstrichtung ausdifferenzierte und weiterentwickelte. „Unsere Zeit rühmt sich ihrer Sachlichkeit. Freilich wurde auch schon oft bemerkt, wie hinter dieser (nur scheinbaren) Kühle eine heftige Spannung vibriert. Die Kühle ist nur eine starre Maske. … Aber dann wirft doch zuweilen ein Künstler diese Maske ab – und die ewige Romantik springt hervor.“ (Franz Ottmann, Romantik 1931, in: Die Kunst für alle, 47. Jg., 1932, S.116)
Alfred Partikel und die Neuromantik:
Natürlich hatte sich Partikel mit den alten Meistern auseinandergesetzt. Schon in den frühen 1920er Jahren malte er auf Holztafeln wie um 1500. Eine nähere Auseinandersetzung mit romantischer Malerei eines Caspar David Friedrich ist für den Maler für 1932 belegt. Zudem verstand sich Partikel immer mehr als wirklicher „Landschafter“, wie es auch seinem Lehramt entsprach.
Ein Schüler der späteren Jahre erinnerte sich, wie Partikel „mit viel Malmittel dünnflüssig und transparent zuerst den Himmel und die Feldpartien seiner Landschaften anlegte, um dann mit starkem Farbauftrag die Bäume, Bauernhöfe, Frauen und Kühe hinein zu malen. Er war ein Meister darin, durch einfache, horizontale Linienführung und vereinfachtem zeichnerischen Detail Raum zu schaffen.“ Diese Arbeitsweise ist auch in dem großen Gemälde der Weichsellandschaft zu erkennen.
Die stilistische Entwicklung hin zu einer Neuromantik lässt sich auch bei Kollegen Partikels an der Königsberger Kunstakademie in den späten 1930er Jahren beobachten. Das trifft besonders für Eduard Bischoff (1890 – 1974), Lehrer an der Königsberger Kunstakademie ab 1936, zu, der stilistisch allerdings in den frühen bis mittleren 1920er Jahren von einem Spätimpressionismus herkam. Der Grafiker Wilhelm Heise (1892 – 1965), Grafiklehrer der Kunstakademie, ließ in seiner neusachlichen Formensprache schon seit den frühen 30ern einen deutlich romantischen Zug erkennen.
Partikel gelang es aber stets, auch im großen Gemäldeformat, einen gesteigerten Heroismus zu vermeiden, die für die Kunst im Dritten Reich sonst typisch wäre.