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Krakau – eine Projektreise

Projektbericht von Holger Wendebourg (Oberstudienrat am Campus Zweiter Bildungsweg)

Es ist bereits eine langjährige Tradition, dass zunächst das Hansa-Kolleg in Hamburg und dann der dortige Campus Zweiter Bildungsweg mit jungen Erwachsenen gemeinsam mit dem Kulturreferat für Ostpreußen am Ostpreußischen Landesmuseum unsere osteuropäischen Nachbarländer erkunden: Polen, das Baltikum – in besseren Zeiten ging es sogar mehrfach nach Russland. Nun also wieder Polen. Nachdem wir vor zwei Jahren in Warschau waren, der heutigen Hauptstadt, im Krieg komplett zerstört, heute aber eine der pulsierendsten modernen Metropolen Europas – fuhren wir dies Jahr nun nach Krakau, in die alte Hauptstadt, im Krieg von Bombardements weitgehend verschont und heute zweifellos eine der schönsten Städte Europas.

80 Jahre Kriegsende und 500 Jahre Preußische Huldigung

Anlässe gab es genug: Das Ende des Zweiten Weltkrieges, dessen erstes Opfer Polen war, hat sich 2025 zum 80. Mal gejährt. Dieser absolute Tiefpunkt in den deutsch-polnischen Beziehungen ist jedem irgendwie bewusst. Wer aber erinnert sich an die „Preußische Huldigung“ vor exakt 500 Jahren, jenen feierlichen Akt in Krakau, bei dem Albrecht von Brandenburg-Ansbach, Hochmeister des Deutschen Ordens, dem polnischen König Sigismund I. den Lehnseid leistete. Grundlage dafür war der Vertrag von Krakau, in dem das Ordensland in ein weltliches Herzogtum Preußen umgewandelt und Albrecht als Lehen übergeben wurde. In Polen kennt das Gemälde von Jan Matejko, das dieses Ereignis darstellt und im Nationalmuseum in Krakau hängt, jedes Schulkind. In Deutschland? Nur Experten…

Vor der Preußischen Huldigung von Jan Matejko im Nationalmuseum Krakau
Vor der Preußischen Huldigung von Jan Matejko im Nationalmuseum Krakau © Holger Wendebourg.

Anlässe genug also gab es, und vom 2. – 7. Juni waren dann tatsächlich 18 Schülerinnen und Schüler des Hamburger Campus Zweiter Bildungsweg zusammen mit zwei Lehrern sowie der Kulturreferentin des Ostpreußischen Landesmuseums, Agata Kern, in der alten polnischen Königsstadt. Drei Tage wurden wir geführt von unserem polnischen Tourguide Małgorzata, die lebendig, begeisterungsfähig, einfühlsam durch ihre Stadt führte.

Auf Entdeckungstour durch Krakaus Altstadt

Angereist mit dem Zug von Berlin und am Abend schließlich im Hotel angekommen, starteten wir am Morgen danach gleich mit dem Stadtrundgang. Es ging in die Altstadt mit einem der größten mittelalterlichen Marktplätze Europas, in die prachtvolle Marienkirche, am Nachmittag in den Wawel, den eindrucksvollen alten polnischen Königspalast, und schließlich noch zu jenem Drachen zu seinen Füßen, der auch heute noch für die Touristen regelmäßig Feuer spuckt…

Unser Hotel befand sich in Kazimierz, dem alten jüdischen Stadtteil von Krakau. Restaurant ist hier neben Restaurant, halb Krakau geht an den ersten warmen Sommerabenden des Jahres aus, isst in Kaziemierz jüdisch-polnische Küche und sitzt draußen bis spät in die Nacht.

Spuren jüdischer Kultur und Geschichte

Jüdisches Leben – und jüdisches Sterben … – standen dann im Mittelunkt des zweiten Tages. Ein Viertel der Einwohner Krakaus vor dem 2. Weltkrieg waren Juden. Überlebt hat fast keiner. Wir alle kennen Steven Spielbergs Kinofilm „Schindler Liste“. Hier in Krakau befand sich Oskar Schindlers Fabrik – und die Besichtigung des in ihr befindlichen Museums ist eines der gleichzeitig eindrucksvollsten und beklemmendsten Erlebnisse dieser Reise.

Jüdischer Friedhof in Krakau
Jüdischer Friedhof in Krakau © Holger Wendebourg.

Am Nachmittag sehen wir dann aber neues jüdisches Leben in Krakau – besichtigen eine von gleich mehreren wieder aktiv genutzten Synagogen in Kazimierz. Und beschließen das Programm mit dem Besuch des Jüdischen Museum von Galizien – wie sich die lange Zeit von Österreich beherrschte Süden Polens bis heute nennt.

Nowa Huta: Industrieutopie und Widerstand

Der dritte Tag dann zunächst in Nowa Huta – der von den Kommunisten entworfenen Stahlarbeiterstadt im Norden von Krakau, die ein Gegenentwurf zum urpolnischen alten Krakau werden sollte. Hier sollte ein neues Polen entstehen, als Gegenentwurf zur alten Königsstadt hinter den Toren. Aber der Versuch misslang – wie jeder Versuch, die polnische Identität zu zerstören. Eindrucksvolles Dokument dafür ist die „Arche des Herrn“ – jenes fantastische Gotteshaus, das die polnischen Arbeiter ihren atheistischen Herrschern aus der Kommunistischen Partei abtrotzten.

Gotteshaus "Arche des Herrn" in Nowa Huta/Krakau
Gotteshaus „Arche des Herrn“ in Nowa Huta/Krakau © Holger Wendebourg.

Abschied von Krakau

Wir beschließen den Tag im Nationalmuseum vor Jan Matejkos Monumentalgemälde von der „Preußischen Huldigung“. Und denken einen Moment darüber nach, ob die deutsch-polnische Geschichte nicht auch anders hätte verlaufen können, friedlicher und freundschaftlicher. Vielleicht ist heute der Moment dafür – auch und gerade, wenn zwei Autostunden östlich von Krakau gerade Krieg herrscht … – Am Freitag hat jeder von uns alleine Gelegenheit, die Eindrücke zu vertiefen. Und bevor es am Samstagmittag wieder in den Zug geht, gehen wir alle gemeinsam in Kazimierz essen in einem traditionellen Restaurant bei jüdisch-polnischem Essen. Das gibt es wieder. In Krakau. Und man sollte es unbedingt probieren!!

Abschiedsabendessen
Abschiedsabendessen © Holger Wendebourg.