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Im Zeichen der Biene: Elisabet Boehm – Begründerin der Landfrauenorganisation

Nicht nur im Lüneburger Raum vertreten viele die feste Überzeugung: Der Erfolg eines Dorffests wird erst durch Landfrauen garantiert. Auch beim traditionellen Kunsthandwerkermarkt des Ostpreußischen Landesmuseums waren Suppen und Torten der Landfrauen legendär und für nicht wenige der heimliche Hauptgrund, den Markt zu besuchen. Dass die Landfrauen dem Museum über viele Jahre so hilfreich zur Seite standen, liegt an den Wurzeln der Landfrauenbewegung: Die Gründerin dieser so erfolgreichen Vereinigung lebte und wirkte in Ostpreußen.

Elisabet Boehm, geborene Steppuhn, wurde 1869 als Tochter eines Gutspächters in Rastenburg (heute: Kętrzyn in Polen) in einer Zeit großer Umbrüche in Landwirtschaft und ländlicher Gesellschaft, geboren. Gerade auf den von Bürgerlichen geführten Gütern setzte man nicht wie vormals vorrangig auf Ertragsmaximierung, sondern auf Verarbeitung, Veredlung und Vermarktung der eigenen Produkte – ein Wirtschaftsfeld, das oft den Gutsfrauen oblag.

Mit 21 Jahren heiratete sie und wurde Gutsherrin auf einem heruntergekommenen Betrieb, ein Hochzeitsgeschenk des Schwiegervaters, den ihr Mann mühsam wieder hochbrachte. Rasch wurde ihr bewusst, dass sie zwar über eine ausgezeichnete „bürgerliche“ Allgemeinbildung verfügte, ihr für all die vielen Aufgaben, die sie als Chefin für das Innere eines Betriebes zu bewältigen hatte, jedoch viele Kenntnisse fehlten. Dies war die Initialzündung zu ihrer Suche nach Frauen in ähnlicher Lage wie sie, die auf dem Land lebten und ohne jemals richtig darauf vorbereitet worden zu sein, sehr viel Verantwortung zu tragen hatten.

Elisabet Boehm 1929, Gemälde von Tomrod (Leihgabe des DLV im OL) © Ostpreußisches Landesmuseum mit Deutschbaltischer Abteilung

Gemeinsam wurde gelesen und sich in kleinen „Kränzchen“ fortgebildet, bis die Damenrunde am 2. Februar 1898 in Rastenburg den ersten „Landwirtschaftlichen Hausfrauenverein“ der Welt gründete. Der Verein setzte es sich zur Aufgabe, auf dem Land tätige Frauen zu bilden und zu fördern, Verkaufsstellen in den Städten einzurichten, in denen die von den Frauen zusätzlich zum Betriebsergebnis der Männer produzierten Lebensmittel wie Früchte, Gemüse oder Eier angeboten wurden. Die Verkaufserlöse bedeuteten ein wichtiges Zusatzeinkommen, besonders in einer Zeit, in der durch Wegbruch von Schutzzöllen viele Güter in wirtschaftliche Schieflage gerieten.

Die gute Idee fand schnell Nachahmerinnen: Zunächst in Ostpreußen, und bald wurden in ganz Deutschland Landwirtschaftliche Hausfrauenvereine (L.H.V.) gegründet. Im Ersten Weltkrieg, als die volkswirtschaftliche Bedeutung der Landfrauenprodukte offensichtlich wurde, fanden sich die Vereine zum „Reichsverband L.H.V.“  unter dem Vorsitz von Elisabet Boehm zusammen und waren aus der Nahrungsmittelversorgung nicht mehr wegzudenken. Die Landfrauenorganisation förderte die Ausbildung junger Frauen als Vorbereitung auf ihre Aufgaben als Verantwortliche für Haushalt und Hauswirtschaft, sie beriet Frauen auf dem Land in allen Bereichen, setzte sich für Verbreitung der Imkerei, des Gartenbaus, der Geflügelzucht u.v.m. ein. Nach dem Ersten Weltkrieg kam die Optimierung von Arbeitsräumen und Haustechnik hinzu. Überall wurden Schulen für Landfrauen gegründet, mit denen ein systematischer Aufbau des ländlich-hauswirtschaftlichen Ausbildungswesens verbunden war.

Mit den neuen Aufgaben und nicht zuletzt dank nunmehr professioneller Ausbildung erwuchs den Landfrauen ein neues Selbstbewusstsein. Das Engagement Elisabet Boehms führte 1920 zur Gewährung des aktiven und passiven Wahlrechtes der Landfrauen in den Landwirtschaftskammern. Auch wurden dort dank ihr Abteilungen für ländliche Hauswirtschaft unter weiblicher Leitung eingerichtet, ebenso wie ein Frauenreferat im Landwirtschaftsministerium. Elisabet Boehm sah ihre Verbandsarbeit immer auch als Teil der damaligen Frauenbewegung. Das Ölgemälde von Peter Paul Tomrod zeigt Elisabet Boehm 1929 als Siebzigjährige, dem Jahr, in dem sie den Vorsitz niederlegte. Sie trägt eine Brosche, die einer Biene nachgebildet ist. Tatsächlich zeigt das Museum auch eine Kette Elisabet Boehms mit den „Bienen“ aller Landesverbände. Sie selbst hat sich die Biene als Symbol für die Landfrauenorganisation ausgesucht. Das ist sie bis heute. Sie steht nicht nur für den sprichwörtlichen Fleiß oder für unerschöpflichen Arbeitswillen, sondern auch für Gemeinschaftssinn, staatsbürgerliche Verantwortung, soziales Engagement, Aufgeschlossenheit, Einsatzfreude und Qualität. Auf dieser Grundlage wirken die Landfrauen bis heute, hilf- und segensreich auch im Kreis Lüneburg.

Schmuckband mit Bienenfiguren, genannt „Bienenkette“ der Elisabeth Boehm (Samt, Metall, Silber, Anfang 1920er Jahre) in der Dauerausstellung © Ostpreußisches Landesmuseum

Von Dr. Christoph Hinkelmann, Kurator für die naturkundlichen Bereiche und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Ostpreußischen Landesmuseum