Von Dr. Jörn Barfod
Der Zweite Weltkrieg hat in Europa unermesslich viele Kunstschätze vernichtet. Betrachtet man Ostpreußen, so sind insbesondere die öffentlichen und privaten Sammlungen in der Hauptstadt Königsberg (heute Kaliningrad) fast sämtlich untergegangen, die Zeugnisse der Architektur zu größten Teilen ebenso. Betrachtet man einmal, was trotz aller Zerstörung übrigblieb, gibt es kleine, aber nichts desto trotz erstaunliche Beispiele zu erwähnen. Von diesen seien hier beispielhaft zwei Vorgänge genannt. Zuvor kommt jedoch zur Einstimmung noch die Schilderung eines Verlustes:
„Mein Haus lag an der Straße Ratslinden im Schatten der Kunstakademie. Über diesen Weg trieb der Wind Papier. Bütten, Japan, Kupferdruck. Es waren die Blätter des graphischen Kabinetts der Hochschule, der Dorgerlohsammlung. Sie war auseinandergerissen und auf die Straße geworfen. Der Luftzug bewegte die Werke der alten Meister vor sich her.“ (aus: Paul Ronge, Im Namen der Gerechtigkeit. Erinnerungen eines Strafverteidigers, München 1963, S. 323) Dies ist eine der deutlichen Schilderungen vom Verlust einer berühmten öffentlichen Sammlung in Königsberg.
Aus einem Brief Paul Ronges vom 20.11.1945 aus Berlin, zwei Monate nach seiner Flucht aus Königsberg: „Wirtschaftlich besitze ich nichts mehr. Von dem einstigen Wohlstand ist als letzte Verbindung mit meinem Heim das Gästebuch erhalten und ein paar kleine Bilder, die zwar zum Teil beschädigt, uns den Rest der Heimat ersetzen sollen. So ist das Tulpenbild vom Julius (d.i. Julius Freymuth) und die Kartoffelernte mitgekommen und wird, sobald ich Rahmen habe, uns in unseren bescheidenen Zimmerchen die Illusion der Kulturwohnung geben.“
Paul Ronge brachte immerhin gut 40 kleinere Gemälde und Aquarelle in einem Kinderwagen auf der Flucht aus Ostpreußen nach Berlin mit. Damit wurde ein Teil einer privaten Kunstsammlung aus Königsberg gerettet, was einen außergewöhnlichen Fall darstellt.
Im zerstören Königsberg fand eine Frau nach Kriegsende in einem teilzerstörten Haus ein Gemälde noch an der Wand hängen, das ihr in allem Chaos, Grauen und Trümmern so sehr gefiel, dass sie es kurzerhand mitnahm. Es gelang ihr, es solange aufzubewahren, bis sie 1948 mit einem Transport Königsberg/Kaliningrad verließ. Sogar dabei hatte sie das Glück, das Gemälde, als eingerollte Leinwand, im geringen erlaubten Gepäck mitzunehmen. Sie wusste nicht, wer der frühere Besitzer gewesen war, konnte es also auch niemandem zurückgeben und soll zeitlebens ein schlechtes Gewissen dieses „Diebstahls“ wegen gehabt haben. Immerhin hat sie so ein bemerkenswertes Werk des ostpreußischen Malers Eduard Bischoff der Nachwelt erhalten. Eines von ungezählt vielen ….