„So war er mit Esther auch in die Nähe der alten Ordensburg Lochstedt gekommen, die am Frischen Haff liegt. Hätte ein bewaffneter Soldat nicht nach ihren Papieren gefragt, nichts hätte die Abgeschiedenheit und Stille gestört, in der das alte Gemäuer lag und die Wetterfahne über dem Dach sich im Seewind drehte. Er hatte eine kleine Platte mit und wusste nicht, dass diese winzige Radierung eine seiner allerletzen werden sollte, die im östlichen Lande zu radieren ihm die Zeit noch gestattete. Vor ihm am Fuß des Hanges fraß eine Kuh, Buschwerk steig den Strandhügel hinauf, und oben lag die alte Ordensburg mit ihren breiten, gotischen Spitzbogenfenstern, dem kleinen Türmchen und war von einer lückenlosen Mauer, die sich bis an den Steilhang wagte, umgürtet.“
Norbert Dolezich: Johannes Standorfer. Ein Künstlerleben. Dülmen 1986, S. 441
So schilderte der Künstler Norbert Dolezich (1906-1996) in einem autobiografischen Roman die Entstehung seiner kleinen, nur 8x10cm großen Radierung von der Burg Lochstedt im Sommer 1943. Er hatte 1929-1931 bei Fritz Burmann und Heinrich Wolff an der Königsberger Kunstakademie studiert und wurde 1939 an der Akademie Dozent für freie Grafik. In seinen Ansichten- und Landschaftsradierungen zeigt der Künstler einen romantisierenden neusachlichen Stil. Zugleich lassen die Arbeiten auch ein genaues Studium der klassischen Radierungen z. B. von Rembrandt erkennen.
Wie viele seiner Berufskollegen aus Ostpreußen hat auch Norbert Dolezich fast sein ganzes vor 1945 entstandenes Werk durch Krieg und Flucht verloren. Einige Radierungen blieben erhalten, weil eine Freundin einen 1944 sorgfältig versteckten Koffer mit Druckplatten retten konnte.