Kant wirft seinen Schatten voraus. Zunächst in Form eines neuen Kollegen.
Seit August arbeite ich im Ostpreußischen Landesmuseum, als der Fach-Philosoph für den neuen Erweiterungsbau zum Thema „Immanuel Kant und der Geist der Aufklärung“. Im Museum traf ich auf bekannte Gesichter. Denn bereits Ende 2017 war ich zum Praktikum hier. Und die Gesichter blieben die gleichen – ein Großteil der Kollegen arbeitet hier schon fast so lang wie ich alt bin! Das schafft Vertrauen. Die Museumsarbeit gefiel und nach zwei Jahren in einem Lübecker Museum fand ich nun zurück nach Lüneburg. Wege, die sich zum Kreis runden.
Ein Anfang in Coronazeiten bedeutet Plexiglas zwischen sich und dem Kollegen gegenüber. Doch verhallen Worte nicht auf 2m Abstand und auch Worte stiften Nähe – nach und nach. Überdies liegt dem Nordeuropäer Distanz. Stammt man aus dem „echten Norden“ (ergo Schleswig-Holstein), liegt Lüneburg im tiefen Süden. Ohne Möwen und jenen Wind, der die Wangen kerbt. Immerhin leuchtet noch roter Backstein und der grüßt als Heimat auch hier stets beim Blick aus dem Fenster.
Etwas anderes befremdet mehr: Das Museum ist ein Ort der Dinge, Philosophie aber ist eine Sache der Gedanken. So gehört zum Arbeiten für mich ein leerer Tisch. Das wird leicht als mangelnde Arbeit interpretiert. Mancher Kollege demgegenüber kann seine Passion für hohe Stapel kaum verhüllen. „Das kommt noch,“ prophezeit der Altgediente. Nun gut, man lernt dazu. In der Ausstellung jedenfalls, 2024, werden dann auch Dinge stehen. Jetzt schon steht, auf dem Tisch, heiterer leichter Schmuck, Kant mit seiner Tischgesellschaft, ausgeschnitten gefunden in einem Karton aus der Duisburger Sammlung. Doch zu Kant und der Sammlung dann ein nächstes Mal.
von Dr. Tim Kunze