Von Dr. Jörn Barfod
Diese Radierung von 1943 zeigt einen Blick in ein Arbeitsatelier in der Königsberger Kunstakademie. An der Rückwand hängen gerahmte und ungerahmte Arbeiten, auf einem Bord oben liegen und stehen Mappen und Bilder. An die Wand gelehnt weitere Arbeiten, einige auf Staffeleien links und mittig. Auf einem Bord sind Malutensilien abgestellt, an der Wand hängt eine Malpalette. Rechts erkennt man einen größeren Schrank. Vor einem an eine Staffelei gelehnten Bild hockt links eine junge Frau im Licht, das von links hereinfällt.
Der Grafiker und Maler Norbert Dolezich (1906-1996), 1941 bis 1945 Dozent der Königsberger Kunstakademie, hielt in dieser Arbeit sein eigenes Atelier fest. Dieser Druck war lange in der Literatur bekannt. Doch erst kürzlich konnte ermittelt werden, wer die junge Frau war, die auf der Darstellung in dem Atelier hockt. Es handelt sich um eine damalige Schülerin Dolezichs, Edith Faltin (1924-2004). Sie wurde auch Lebensgefährtin des Künstlers bis 1946 und verhalf ihm in ungewöhnlicher Weise zu seiner nachwirkenden Bedeutung in der ostpreußischen Kunst.
Dolezichs Rang in der Kunst aus Ostpreußen bemisst sich wesentlich auch an seinen Radierungen aus der Zeit vor 1945. Sein malerisches Werk dieser Zeit ist fast vollständig untergegangen. Die Druckplatten seiner Radierungen hingegen hatte er sorgfältig verpackt in ein Versteck an der Samlandküste gebracht. In der Zeit der Fluchtbewegungen aus Ostpreußen war er jedoch in einem weit entfernten Lungensanatorium. Seine damalige Lebensgefährtin aber holte die Platten aus dem Versteck und nahm sie mit auf die Flucht, kein eben leichtes Gepäck. Glückliche Umstände führten die beiden später in Westfalen wieder zusammen. Doch ihre Verbindung löste sich etwa ein Jahr später. Die Rettungstat behielt eine bleibende Bedeutung für den Künstler und die Kunst.
Einen weiteren Einblick in die Arbeiten von Norbert Dolezich gibt der Kustos des Ostpreußischen Landesmuseums, Dr. Jörn Barfod, hier.