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Auf den Spuren E.T.A. Hoffmanns in Polen

Studienreise vom 2.-9. September 2024

Ein Bericht von Jörg Petzel, Vizepräsident der E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft

Erster Reisetag: 2. September in Glogau und Posen

Mit 27 Personen fuhren wir pünktlich vom Berliner Hauptbahnhof ab in Richtung Glogau/Głogów; der Busfahrer war zum Glück ein in Berlin lebender Pole, namens Waldemar, denn ein deutscher Fahrer wäre auf dieser Reise schon an den komplizierten Maut-Stationen gescheitert. Jörg Petzel verlas nun per Mikrofon seinen ersten Einführungstext über Hoffmann in Glogau. Dort erwartete uns ein polnischer Führer zur Stadtführung, die gleich mit dem Besuch der sehr eindrucksvollen Jesuiterkirche begann. Der dortige, sehr freundliche Pfarrer begrüßte uns und führte durch die Kirche, die immer noch renoviert wird, doch E.T.A. Hoffmanns und Molinarys Wandgemälde werden wohl nie wieder auftauchen. Der Stadtführer las dann noch den Anfang von Hoffmanns Nachtstück zuerst im deutschen Original und danach in seiner eigenen polnischen Übersetzung, was uns deutsche Zuhörer sehr rührte. Weiter ging die Fahrt nach Posen/Poznań, wo wir erstmals im IBIS-Hotel zu Abend speisten und übernachteten.

Die Jesuiterkirche in Glogau

Zweiter Reisetag: 3. September in Posen/Poznań

Nach dem reichhaltigen Frühstücks-Buffet erkundeten wir mit dem Bus und zu Fuß die Posener Altstadt. Besonders eindrucksvoll agierte die uns begleitende junge Stadtführerin Katarzyna Tymek. Sie führte uns kompetent und auch witzig auf die Posener Dominsel und deren über Jahrhundert Jahre alte Geschichte. Die erste polnische Kathedrale wurde hier im Jahre 968 erbaut.

Die zweite Stadtführung durch Posen auf den Spuren Hoffmanns unternahm die polnische Germanistin Dr. Ewa Płomińska-Krawiec von der Adam-Mickiewicz-Universität, die ein Buch über E.T.A. Hoffmann in Posen vorbereitet. Beeindruckend war das ehemalige Jesuitenkolleg, eine der bekanntesten Hochschulen Polens im 18. Jahrhundert; im Jahr 1806 bewohnte es Napoleon für drei Wochen. Ebenso bedeutend und ein architektonischer Höhepunkt ist das Rathaus Posens mit seinen vollständig erhaltenden Renaissance-Gewölben. Täglich um zwölf Uhr – und wir waren pünktlich zur Stelle – erscheinen auf dem Rathaus-Turm zwei blecherne Ziegenböcke, die Wahrzeichen Posens, die zwölfmal gegeneinander stoßen, dazu spielt ein Turmbläser Trompete in allen Richtungen. Unsere Stadtführerin führte uns zum ehemaligen, nicht erhaltenen Wohnhaus Hoffmanns, das jetzt aber in einen modernistischen Kaufhaus-Klotz verwandelt wurde.

Der Marktplatz in Posen

Vor dem eigentlichen Schluss dieser Führung wünschten wir uns noch die Besichtigung der abseits der Altstadt liegenden Kirche Ad Corpus Christi, in der Hoffmann und seine polnische Frau Mischa sich, aus Płock anreisend, am 26. Juni 1802 trauen ließen.

Die wieder erstandene Altstadt ist wirklich sehr sehenswert und immer eine Reise wert, es existiert dort sogar ein Bamberger Lokal!

Dritter Reisetag: 4. September in Warschau

Es folgte nach dem Hotel-Einchecken eine zweistündige Stadtrundfahrt mit dem Bus, wo uns bedeutende Bauwerke und auch der Ort des ehemaligen jüdischen Ghettos gezeigt wurden. Sehenswert in der Altstadt sind die gleich nach dem Krieg restaurierten Altbauten mit dem alten Marktplatz.

Vierter Reisetag: 5. September in Warschau

Nach dem Frühstück startete dann eine dreistündige Stadtführung auf den Spuren E.T.A. Hoffmanns. Wir sahen die drei Wohnorte Hoffmanns, das erste Domizil in der immer noch so heißenden Fretastraße Nr. 278, in dem Hoffmanns Tochter Cäcilie geboren wurde. Dieses während des Warschauer Aufstandes 1944 teilweise niedergebrannte „Palazzo“, das 1951 wieder aufgebaut wurde und sich neben dem Haus befindet, wo die Familie Hitzig residierte. Das zweite Wohnhaus Hoffmanns in Warschau, das stattliche Domizil der Kaufleute Roesler & Hurtig aus Mähren, befindet sich in der Krakauer Vorstadtstraße. Das prachtvoll restaurierten Mniszech Palais in der Senatorkarstraße konnten wir nur von außen bestaunen. Damals war es Sitz der von E.T.A. Hoffmann mitbegründeten Musikalischen Gesellschaft und später auch sein drittes Wohn-Domizil. Im Mniszech Palais wurden zahlreiche Kompositionen Hoffmanns aufgeführt, so auch „Die lustigen Musikanten“, dessen Partitur ja erstmals den Namen E.T.A. Hoffmann trägt. Auch hier malte er verschiedene Räume aus, die sich nicht erhalten haben; doch gibt es davon späte Spuren in Hoffmanns letztem Nachtstück „Das steinerne Herz“.

Die Bern(h)ardiner-Kirche der heiligen Anna konnten wir auch innen besichtigen, in der Hoffmann am 22. November 1805, dem Cäcilientag, die Aufführung seiner Messe in d-moll hörte. Er stand dort in guten Beziehungen zu den Mönchen, war oft bei ihnen zu Tisch eingeladen und sang in dieser Kirche den Tenorpart bei den Aufführungen seiner eigenen Werke.

Der Arbeitsplatz und damalige Dienststelle des Regierungsrats Hoffmann war das Stadtgericht im Krasinski- Palais am heutigen Krasinski-Platz, wo die südpreußischen Kriegs- und Domänenkammer in Warschau bis zum Einmarsch Napoleons residierte, das heute Sitz der Nationalbibliothek in Warschau ist, deren prachtvolle Räume wir besichtigen durften.

Vor dem Krasinski Palais in Warschau

Hoffmanns Lieblingsausflugsort, der königliche Lazienki-Park, wirkte sehr beeindruckend. Hier las Jörg Petzel die dort spielende Passage aus den Gesprächen der Serapions-Brüder. Das Mittagessen erfolgte im Restaurant „Pod Samsonem“ in Hoffmanns ehemaligem ersten Wohnhaus in der Fretastraße 278.

Der Lazienki Park in Warschau

Dem folgte dann die dreistündige Führung durch das fantastisch gebaute Museum für die Geschichte der polnischen Juden, das ein anderes Geschichtskonzept, nicht allein vom Holocaust dominiert, als das vom Jüdischen Museum in Berlin vertritt. Die reichhaltige Ausstellung zeigte uns die Geschichte von den Anfängen der Juden in Polen bis hin zur fast totalen Vernichtung durch die deutschen NS-Truppen, aber auch den schwierigen Wiederaufbau nach 1945 bis hin zu erneuten antisemitischen Vorfällen in Polen.

5. Reisetag: 6. September in Warschau und Plock/Płock

Nach dem Frühstück besuchten wir das Deutsche Historische Institut in Warschau, wo wir einen Vortrag des Historikers Dr. Christhardt Henschel über Hoffmann in Płock von dieser Zeit bis zum Zweiten Weltkrieg mit sehr vielen Bilddokumenten hörten.

Danach fuhren wir nach Płock, wo wir eine Stadtführung geboten bekamen, für uns bedeutend natürlich Hoffmanns ehemaliges Wohnhaus, das eine schöne Gedenktafel schmückte. Nach dem Mittagessen fuhren wir weiter nach Thorn/Toruń, wo Hoffmann keine Spuren hinterlassen hat, als die Erwähnung der Thorner Lebkuchen, den Kathrinchen, die er in „Nußknacker und Mausekönig“ erwähnt.

6. Reisetag: 7. September 2024 in Thorn/Toruń

Eine sehr kompetente und eloquente Stadtführerin leitete uns durch die sehenswerte Altstadt, besonders beeindruckend war der Artushof von Thorn sowie das Geburtshaus von Kopernikus. Nach der Stadtführung fuhren wir zurück nach Berlin und übernachteten nach dem Abendessen im Hotel Estrel.

Die Reisegruppe in Thorn vor dem Nikolaus-Kopernikus-Haus


7. Reisetag: 8. September in Berlin

Nach dem Frühstück fuhr uns unser Bus zum Jerusalemskirchfriedhof am Mehringdamm, wo Jörg Petzel und Bernd Hesse die Führung übernahmen. Zielort war das Ehrengrab E.T.A. Hoffmanns, wo wir eine außergewöhnliche Libation zelebrierten. Peter Bieringer las ein Hoffmann-Gedicht von Bernd Hesse, danach erfolgte die Libation mit Rotwein, dessen Reste als Spende auf Hoffmanns Grab geschüttet wurden.

Weiter ging es zu Fuß zum ehemaligen Kammergericht, dem Arbeitsplatz E.T.A. Hoffmanns in Berlin, dem heutigen Jüdischen Museum Berlin. Von dort fuhr uns der Bus zum Gendarmen Markt und dem ehemaligen Wohnhaus Hoffmanns, das heute das Lokal Lutter & Wegner beherbergt. Es wurde an die Premiere von Hoffmanns Oper „Undine“ im alten Schauspielhaus erinnert, das nach 14 Aufführungen mit allen Kostümen und Kulissen von Schinkel abbrannte, was Hoffmann als naher Augenzeuge ironisch dokumentierte.

Der weitere Fußweg führte uns zur Staatsbibliothek Berlin, in deren Innenhof das restaurierte Denkmal E.T.A. Hoffmanns von Carin Kreuzberg steht. Danach folgte der Fußweg Unter den Linden zum ehemaligen Öden Haus, wo heute die Russische Botschaft residiert. Dort auf dem Mittelstreifen, wie zu Hoffmanns Zeiten, las dann Peter Bieringer den Anfang von Hoffmanns Nachtstück „Das öde Haus“. Nach einer längeren Pause endete die so lehrreiche Reise im Lokal „Ännchen von Tharau“ mit dem passenden Menü, den Königsberger Klopsen, zuvor wurde aber gemeinsam der bekannte Liedtext rezitiert. Der allgemeine Dank galt dann unserer kompetenten Reiseleiterin Agata Kern vom Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg, die uns eine perfekt und hervorragend organisierte Studienreise durch die polnischen Städte E.T.A. Hoffmanns geschenkt hatte.