Ein Bericht von Dr. Martin Maurach
Die Studienreise „Auf den Spuren des Deutschen Ordens“ vom 8. – 13.8.2017 wurde organisiert von der Kulturreferentin für Ostpreußen, Frau Agata Kern (Ostpreußisches Landesmuseum in Lüneburg), und Dr. Martin Maurach vom DAAD-Lektorat an der Schlesischen Universität in Opava. An der Studienreise haben tschechische, polnische, deutsche und österreichische Studierende, Deutschlehrer/innen und Hochschullehrer/innen teilgenommen. Dass sich eine solche, bunt gemischte Gruppe heutzutage für den Deutschen Orden interessiert, erscheint nicht selbstverständlich. Gehört es nicht unter ‚aufgeklärten‘ Zeitgenossen derzeit beinahe zum guten Ton, religiöse Einrichtungen für die Quellen allen Übels zu halten? Nicht, dass unsere Gruppe sich nicht auch über fragwürdige Aspekte der Rezeption des Deutschen Ordens hätte orientieren lassen; nicht, dass nicht auch Widersprüche offen diskutiert worden wären. Dazu gab es fachkundige Beiträge aus dem Teilnehmerkreis. Vor allem aber gab es eine große Aufgeschlossenheit für die achthundert Jahre zurück führende Spurensuche – und das Gefühl, sich auf jeder Station reich belohnt zu finden.
Zunächst präsentierte sich der Auf- oder Abstieg in die Geschichte als imposantes steinernes Schnecken-Treppenhaus, in das man hinauffotografieren kann. So zum Auftakt der Reise im Deutschordensmuseum Bad Mergentheim, wo ein guter Überblick über die Geschichte des Ordens vermittelt wurde, insbesondere auch über seine bis heute andauernde karitative Tätigkeit, dazwischen über die Geschichte des Ordensstaats in Preußen, die zeitweise auch für Protestanten mögliche Zugehörigkeit und vieles mehr.
Das Siebenbürgische Museum auf Schloss Horneck weitete dank seiner Lage den Blick nicht nur ins Neckartal – sondern auch in die Geschichte Siebenbürgens. Die Führung verdeutlichte vor allem das schwierige Zusammenleben religiöser und ethnischer Gruppen auf dem Gebiet der sogenannten Siebenbürger Sachsen, die vor allem aus Rhein- und Moselfranken kamen. Schloss Horneck selbst war seit Mitte des dreizehnten Jahrhunderts Besitz des Deutschen Ordens und zeitweise Sitz des Deutschmeisters sowie später einer Komturei.
Aus der reichen Geschichte der markgräflich-hohenzollernschen Residenz Ansbach lernten wir dank einer sehr sachkundigen, unterhaltsamen Führung sowohl tragisch-düstere Seiten kennen – Kindersärge in der Fürstengruft, Totenfahnen von St. Gumbertus, Kaspar Hausers Schicksal -, als auch zum Beispiel die Erinnerungsräume für die Partnerstadt Krnov (früher Jägerndorf) in der Nachbarschaft von Opava, die bedeutende wissenschaftliche Bibliothek aus hohenzollernscher Zeit und das Denkmal für den Dichter August Graf von Platen. Im Deutschordensschloss von Ellingen bot uns das Ostpreußische Kulturzentrum Sonderausstellungen zur Reformationsgeschichte sowie über Herzog Albrecht von Brandenburg-Ansbach, der ja eine entscheidende Rolle bei der Umwandlung des preußischen Ordensstaates in ein weltliches Herzogtum spielte. Außerdem erhielten wir eine Einführung in die Arbeit der Ostpreußischen Kulturstiftung, insbesondere ihre vielfältigen Ausstellungsaktivitäten.
Das Kloster St. Nikola in Passau ist das Mutterhaus der deutschen Provinz der Deutschordensschwestern; dort wurde uns in persönlich beeindruckender Weise von der Bedeutung des Schwesterninstituts des Deutschen Ordens und seinen karitativen Aufgaben berichtet, insbesondere auch von der Aufhebung und Enteignung des Ordens sowohl durch den deutschen Faschismus als auch unter den Kommunisten, der Flucht nach Westen, aber auch von der mühevollen Wiedergründung des Schwesterninstituts in Opava nach 1990.
Höhepunkt der Reise war die Besichtigung von Kirche, Schatzkammer und Archiv des Deutschen Ordens in Wien; die Schatzkammer mit bedeutenden Kunstwerken, Gewändern, Bildmaterial und Urkunden, das Archiv als eine zweite Schatzkammer für unterschiedlichste historische, heraldische und genealogische Forschungsinteressen. Die für Wien-Anfänger und ‑Kenner gleichermaßen interessante Stadtführung wurde dann auch spürbar von oben ausgezeichnet durch den einzigen heftigen Regenschauer der Reise direkt gegenüber dem Südturm von St. Stephan. Das weitläufige Wiener Heeresgeschichtliche Museum verbindet die wichtigsten Karten, Portraits und Artefakte durch regelrechte Auf- und Abmärsche, auf denen dann die Ordensgeschichte in den Hintergrund trat. Nach deren intensivem Studium während der vergangenen Tage waren diese Operationen aber der verdiente Übergang zu weiteren Feldforschungen etwa einer Sonderausstellung zu König Jan III. Sobieski, dem Befreier von Wien 1683, oder dem Wiener Literaturmuseum, mit seinen Schätzen aus der Österreichischen Nationalbibliothek und einer interessant inszenierten Sonderausstellung zum „Rausch des Schreibens“.