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Wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht

Ein Bericht von Christine von Brühl

Karminfarbener Verputz, bunt schimmernde Mosaiksteine, goldglänzende Sterne – das Innere des Mendelssohn-Hauses in Olsztyn wirkt wie aus einem Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Jahre haben die Mitstreiter der Stiftung Borussia darauf verwendet, dieses Kleinod wieder herzustellen. Aus der einstigen Bauruine der Leichenhalle des ehemaligen jüdischen Friedhofs ist ein stimmungsvoller Ort der Begegnung geworden.

Am 1. Dezember hatte ich die Freude, auf Einladung von Agata Kern vom Ostpreußischen Landesmuseum in diesem märchenhaften Ambiente mein Buch „Out of Adel“ vorzustellen. Es ist im Juni 2016 auf Polnisch unter dem Titel „Jak przestalam byc arystokratka“ im Verlag Dobra Literatura erschienen. Der Allensteiner Rundfunkjournalist Robert Lesinski unterstütze mich vor gut gefülltem Haus bei der Präsentation, Stiftungsvorsitzende Kornelia Kurowska begrüßte uns und stellte die Mitwirkenden vor.

Dr. Christine von Brühl, Robert Lesinski und Kornelia Kurowska (v.l.)

Nicht nur das Buch, auch die Geschichte meiner Familie stieß beim Publikum auf großes Interesse. Mein Großvater war bis 1934 Landrat in Allenstein, widersetzte sich als gläubiger Katholik den Nazis und wurde zur Strafe in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Meine Großmutter, geboren und aufgewachsen in Ostpreußen, wurde denunziert und kam ins Gefängnis. Beide Großeltern sowie drei ihrer vier Kinder – ein Sohn ist im Februar 1945 gefallen – konnten gegen Kriegsende fliehen und lebten in Westfalen. Sie sind nie wieder in ihre Heimat zurückgekehrt.

Dr. Christine von Brühl

Trotz dieser traurigen Ereignisse war das Wiedersehen mit Olsztyn ein freudiges Ereignis. Die Besucher der Lesung waren samt und sonders gut informiert und bewiesen Anteilnahme, Offenheit und Neugier. Zweifelsohne ist das auf das unermüdliche Engagement der Stiftung zurückzuführen. Tag für Tag beweist sie durch ihre Arbeit, welche kulturellen und ideellen Werte man aus der Vergangenheit schöpfen kann, sei sie auch noch so traurig. Einzelne Mitglieder der Stiftung stammen selbst aus Familien, die ihre Heimat nach dem Krieg verlassen mussten, wie beispielswiese aus der Gegend um Vilnius. Statt in Larmoyanz zu versinken, nutzen sie die historische Verbundenheit mit Ländern wie Litauen, Ukraine oder Deutschland, um einen regen internationalen Kulturaustausch zu pflegen. Sie schauen nach vorn und betrachten die geschichtlichen Ereignisse ihrer Region als Chance und Anlass zur Vielfalt. Das hat mich tief beeindruckt.