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Bedeutendes Exponat für unser Museum

Ein Lehrbeispiel in Kunst und Geschichte

Gustav Eberlein: Königin Luise und Napoleon in Tilsit 1807. Bildrechte: Ostpreußisches Landesmuseum

Es war einer der dramatischsten Momente in einem reichen Leben und der Keim eines der bedeutendsten nationalen Mythen des Deutschen Reiches: Die noch junge preußische Königin Luise, schon zu Lebzeiten eine „Königin der Herzen“, musste sich 1807 im ostpreußischen Tilsit dem siegreichen Kaiser Napoleon stellen – ihn, den sie gerade noch als „Ungeheuer“ und „Höllenmenschen“ bezeichnet hatte. Aber Preußen war am Ende, das Land von den Franzosen besetzt, König und Königin hatten bis an den äußersten Zipfel ihres Reiches fliehen müssen. Fatal: König Friedrich Wilhelm III. wurde als Verhandlungspartner von Napoleon nicht ernst genommen. Nun sollte Preußens berühmte Schönheit den Kaiser milde stimmen und einen erträglichen Frieden erbetteln. „Das tiefste und vollste Dekollete, das eine Deutsche je zeigte“ soll Napoleons Diplomat Talleyrand die Episode kommentiert haben. Genützt hat es bekanntlich nicht.

Eine berühmte Szene deutsch-französischer Geschichte, die vielfach künstlerisch aufgegriffen und jeweils national interpretiert wurde. In Frankreich etwa malte man die Königin nicht nur genauso groß wie Napoleon, also künstlich kleiner, vielmehr wurde sie gleich wie eine Braut dem Sieger „zugeführt“.

In vielen anderen Darstellungen fleht die liebliche Luise zum herrischen Sieger; oft mahnt im Hintergrund Friedrich der Große als Gemälde Preußens Glorie an, etwa bei dem Monumentalgemälde von Rudolf Eichstädt:

R. Eichstaedt, Luise und Napoleon in Tilsit (1895). Alle Rechte: Ostpreußisches Landesmuseum

Ein Umsetzung aber ragt heraus: ein überlebensgroßer Denkmalentwurf von Gustav Eberlein aus dem Jahr 1901. Denn 90 Jahre später blickte man sehr eigen auf diesen historischen Moment. Napoleon war schließlich längst besiegt und abgesetzt und Frankreich 1871 erneut besiegt worden. Der preußische König – Luises Sohn – ward zum ersten Deutschen Kaiser in Versailles gekrönt.

Eberlein schuf eine Gipsskulptur, welche die vermeintliche Überlegenheit Preußens und Deutschlands über Frankreich mit Mitteln der Kunst ausdrücken sollte. Der unter Wilhelm II. beliebteste Bildhauer stellte Luise nicht nur auf eine (moralisch) höhere Stufe, er ließ sie den fast zwergenhaften, ins Leere starrenden Napoleon auch arrogant die kalte Schulter zeigen.

Eine Umdeutung der Geschichte. Hier ist Luise nicht mehr die sich für ihr Land aufopfernde Märtyrerin, die wenig später am gebrochenen Herzen viel zu früh verstarb, nicht mehr das „Mordopfer“ des Erbfeindes Frankreich. Im Gegenteil: Luise geht aus dem Treffen zumindest als moralische Siegerin heraus. Die nachfolgenden militärischen Erfolge waren aus dieser Perspektive dann schon keine Frage mehr …

Zu einer Umsetzung in Bronze oder Marmor ist es nie gekommen, auch wenn der Künstler ein Jahr zuvor in Anwesenheit des Kaisers sein gefeiertes Luisendenkmal in Tilsit enthüllen konnte. Mit dem Ende der Hohenzollernherrschaft sank auch Eberleins Stern. Bald war er vergessen, seine Kunst galt nichts mehr, und auch dieser Entwurf drohte endgültig zu verfallen.

Mit Mitteln verschiedener Einrichtungen und Privatleuten, darunter dem Ostpreußischen Landesmuseum, gelang es dem Gustav-Eberlein-Forschung e.V. die Skulptur vom Eberlein-Experten Erhard Joseph aufwendig restaurieren zu lassen. Sie wurde erstmals in der Luisenausstellung im Berliner Schloss präsentiert und avancierte dort rasch zum beliebtesten Exponat.

Nun bildet sie einen Höhepunkt in unserer aktuellen Ausstellung und bleibt auch nach deren Ende als Dauerleihgabe des Städtischen Museums Hann. Münden weiterhin hier im Museum.

Anlieferung des Kunstwerkes unter Aufsicht des Restaurators Joseph:

Die Presse war natürlich dabei:

Festlegung des Standortes mit Kustos Dr. Jörn Barfod und Museumsdirektor Dr. Joachim Mähnert: